Ein Bedingungsloses Grundeinkommen - auch für Portugal?
Ich
habe diesen Artikel zunächst auf Portugiesisch geschrieben, um meine
Wut aus dem Bauch zu lassen. Denn ich fühle mich als Ausländer in
Portugal diskriminiert.
Aber
mit der Zeit sehe ich, dass das nur ein subjektives Gefühl war und im
Grunde alle Portugiesen (oder fast alle!) das gleiche Problem haben,
nämlich am Rande der Armut oder in Armut zu leben. Vor allem, ich hatte
meinen Lebensmut schon fast verloren - nichts ändert sich wirklich. Aber
jetzt spüre ich plötzlich eine neue Hoffnung, eine neue Kraft, dank
dieses wirklich genialen Konzepts, das sich in der Geburt der
Weltbevölkerung befindet.
Jetzt
ist die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens aufgekommen, die
diesen Missständen der sozialen Ausschliessung und Diskrimination ein
Ende setzen will. In Finnland, Holland und einigen Städten Deutschlands
will man ein Bedingungsloses Grundeinkommen von 500-1000€ monatlich
einführen, ohne dass man dafür Gegenleistungen vollbringen muss.
Das
hört sich fantastisch an. Und ich frage mich, ist es auch in Portugal
möglich (oder sogar für die gesamte Welt, wie ein Freund (ehemaliger
Redakteur der FAZ) aus der Algarve jetzt in einem Brief an Angela Merkel
vorschlagen möchte)?
Aber
zunächst - was ist die Situation in Portugal? Ohne ein allgemeines
Urteil abgeben zu können, hier nur ein Beispiel: ich (Deutscher mit
einer ständigen Aufenthaltsgenehmigung in Portugal - ich wohne mehr als
30 Jahre in Portugal) verlor 2004 meine Arbeit als Privatdozent an einer
portugiesischen Universität (Universidade Internacional da Figueira da
Foz (UIFF)), als diese Privatuniversität geschlossen wurde. Ich war
zuvor jeweils 5 Jahre Gastdozent bzw. Dozent an 2 weiteren öffentlichen
Universitäten in Portual, weshalb ich das Universitätsmilieu in Portugal
ganz gut kenne. Ab 2004 war ich also arbeitslos, hatte aber keinerlei
Rechte auf Sozialunterstützung, da ich für die UIFF unter “recibes
verdes”, also Werkvertrag, gearbeitete hatte. Im Gegensatz zur
Bundesrepublik, wo ich 7 Jahre unter Werkverträgen beim Bundesamt für
Naturschutz gearbeitet hatte, hatte ich nach portugiesischem Recht
jedoch die Möglichkeit, Sozialbeiträge abzuführen. Nun ja, ich eröffnete
2009 einen Gemeinnützigen Verein (Associação Trilhos d’Esplendor), um
nicht vor Langeweile umzukommen, und bin seitdem Präsident dieses
Vereins. Fehlende finanzielle Mittel nötigten mich im Jahr 2014 jedoch,
den Sitz des Vereins zu veräussern. Meine ökonomische Situation war also
wieder prekär, weshalb ich mich im Oktober 2015 genötigt sah,
Sozialhilfe zu beantragen. Die Sozialhilhe beträgt meines Wissens 179€
im Monat (seit 2017 182€) - aber besser als gar nichts, dachte ich.
Nachdem
ich den Antrag gestellt hatte, kam einen Monat später eine Einladung
einer Freundin aus dem Algarve, mit der ich zusammen Material für ein
Buch sammeln konnte. Da ich selber an einem Blog über eine Botanisch-
Zoologische Rundreise auf der Iberischen Halbinsel arbeite und mir die
Einladung ueberdies ein Ueberleben in den nächsten Wochen erlauben
würde, sagte ich zu.
2
Tage nach meiner Abreise in den Algarve kam per Einschreiben ein Brief
des Sozialamtes und eine Einladung zur Unterzeichnung des Vertrages
bzgl. des “Sozial-Einkommens zur Integration”, welches wie schon gesagt
179€ im Monat beträgt. Ich fand diesen Einschreibebrief, in dem mir 10
Tage zu einer Rechtfertigung gewährt wurden falls ich der Einladung
nicht nachkommen könne, erst 14 Tage nach meiner Rückkehr aus dem
Algarve vor. Obwohl ich mich unverzüglich an das Sozialamt Coimbra
wendete und die Situation erklärte, half mir das gar nichts und mein
Antrag wurde einen Monat später abgelehnt (mit Androhung einer
zuzüglichen Sperrung von 24 Monaten).
Dies
absurde und kafkaeske Situation scheint allerdings System zu haben (und
nicht nur bei den Sozialämtern in Portugal). Denn so spart man Kosten
und verjagt lästige Antragsteller!
Aber
ich finde mich nicht ab mit dieser Situation. Ich bin der Ueberzeugung,
dass ich mit meiner ehrenamtlichen Arbeit einen kulturellen Beitrag
leiste, der mir obendrein sehr viel Freude bereitet. Immerhin habe ich
in Portugal mehr als 160.000 Klicks auf portugiesischen Webseiten, und
seit Oktober 2014 mehr als 2000 auf einer deutschprachigen Webseite. Auf
Google+ habe ich bisher mehr als 500.000 Klicks.
Und
ich frage mich, warum das Sozialsystem das nicht berücksichtigt? Für
mich wäre also ein Bedingungsloses Grundeinkommen die ideale Lösung.
Im
Moment lebe ich von ca 300€ monatlich, die ich durch private
Zuwendungen erhalte. Ich habe keine Mietkosten und besitze kein Auto,
ausserdem bin ich alleinstehend. Von diesen 300€ brauche ich ca 150€ im
Monat für fixe Kosten wie Strom, Wasser und Gas. Es bleiben also 150€
zum Leben.
Nehmen wir jetzt einmal an, das Bedingungslose Grundeinkommen (ohne Mietzuschuss) sei 300€ im Monat in Portugal.
Portugal
hat ca 10.000.000 Einwohner. Das hiesse, dass der Staat 36 000.000.000€
im Jahr (10.000.000 x 300 x 12 = 36.000.000.000€/Jahr) für das
Bedingungslose Grundeinkommen zur Verfügung stellen müsste. Das sind ca
20% des jährlichen Brutto-Sozialproduktes, welches ca 175.000.000.000€
im Jahr beträgt. Geht man nun davon aus, dass dieser Betrag lediglich
einen Steuerbonus darstellt, der bei einem Einkommen mit den Steuern
abgeglichen wird, dann ist zu erwarten, dass aufgrund reduzierter
Verwaltungskosten sogar die Sozialkosten sinken würden. Und vor allem
würde durch das bedingungslose Grundeinkommen mehr soziale Gerechtigkeit
und eine Diskriminierung sozialer Minderheiten beseitigt. Also ein
Modell, das mir auch für Portugal interessant erscheint!
Coimbra, 1. de Fevereiro de 2016
Horst Engels
Im Annex noch die links zu meinen Blogs, auf die ich mich im vorigen Text bezogen habe.
Und hier noch ein interessanter ARTE Beitrag zu dem Thema des bedingungslosen Grundgehaltes:
auf Französisch:
auf Deutsch:
Vielleicht
noch zum Schluss der Vorschlag an die Politiker von Brüssel, sämtliche
ARTE Dokumentationen in alle der Sprachen der 28 Mitgliedsstaaten der CE
zu übersetzen zu lassen, damit in Zukunft alle diese wertvollen Beiträge sehen und
verstehen können!
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